Für eine LINKE Bildungsoffensive statt defensivem Schulfrieden

01. Dezember 2010  DIE LINKE., In Aktion
Schulstreik 2010 in Kiel

Einleitung
Bildungspolitik ist ein landespolitische Kernthema. Auf keinem anderen Gebiet ist die Regelungskompetenz der Bundesländer so umfassend. Hinzu kommt, dass die Debatte um Schulpolitik immer hochemotionalisiert geführt wird und das mit gutem Grund.
Bildungsgerechtigkeit für alle Kinder und Jugendlichen wäre ein grundlegender Schritt hin zu einer gerechten Gesellschaft, Elitenbildung würde deutlich erschwert und nicht zuletzt würde endlich auch das Potenzial der bisher vom Bildungssystem ausselektierten Kinder zum Wohle der gesamten Gesellschaft erschlossen.
Konservative Bildungspolitiker bis in die Sozialdemokratie hinein verteidigen auf Grund eines elitären Menschenbildes mit allen Mitteln das Gymnasium und die Aufteilung zehnjähriger Kinder auf unterschiedliche Schultypen.
In Schleswig-Holstein beherrscht die Debatte um eine von schwarz-gelb geplante Änderung des Schulgesetzes die bildungspolitische Debatte. Aus diesem Grund hat sich eine (Volks-) Elterninitiative gegründet und setzt sich mit dem Ziel eine Änderung Schulgesetzes zu verhindern für einen so genannten „Schulfrieden“ ein. Das geltende Schulgesetz wurde 2007 von einer großen Koalition beschlossen und stieß sowohl bei der LINKEN als auch der Bildungsstreikbewegung auf
massiven Widerstand.
Dieser Beitrag will die inhaltliche Debatte in der LINKEN Schleswig-Holstein zur Bildungspolitik vorantreiben und warnt davor inhaltliche Kernforderungen der LINKEN zu Gunsten eines so genannten „Schulfriedens“ für absehbare Zeit in den Hintergrund zu verbannen.

Warum am gültigen Schulgesetz nicht alles gut ist…
Das gültige Schulgesetz stieß bei seiner Einführung durch die große Koalition auf massive Kritik und sorgte dafür, dass sich in Schleswig-Holstein eine Bildungsstreikbewegung bildete, die anders als in den anderen Bundesländern von Schülerinnen und Schülern und weniger von den Studierenden getragen wurde. Bildungsbündnisse und Elterninitiativen mobilisierten bis zu 15.000 Schülerinnen und Schüler in Kiel, Lübeck, Flensburg, Heide sowie vielen weiteren Städten Schleswig-Holsteins am Bildungsstreik teilzunehmen und ihren Protest für längeres gemeinsames Lernen, für kleinere Klassen, für mehr Lehrerinnen und Lehrer, für eine bessere Ausstattung der Schulen, gegen die Profiloberstufe, gegen das Zentralabitur und gegen G8 auf die Straße zu tragen.
DIE LINKE war dabei ganz klar auf der Seite der Schülerinnen und Schüler und rief zu den Protesten mit auf. Dies hat uns viel Symphatie eingebracht.
Die Profiloberstufe gestattet Schülerinnen und Schülern der Oberstufe nicht mehr nach ihren Neigungen und Fähigkeiten Leistungs- und Grundkurse auszuwählen, sondern setzt auf Lernen im Klassenverband auch in der Oberstufe. Mathe, Deutsch und zwei Fremdsprachen wurden in drei Wochenstunden für alle zur Pflicht und können nun lediglich durch ein „Profilfach“ ergänzt werden. DIE LINKE sah darin immer eine Einschränkung der individuellen Freiheit auf Grund
eines forcierten Sparkurses im Bildungssystem.
Auch die Einführung von G8 am Gymnasium stieß bei der LINKEN auf massive Kritik. Der Leistungsdruck, der dazu führte, dass Nachhilfeinstitute einen Umsatzboom erlebten, und die damit einhergehende soziale Selektion am Gymnasium wurden von der LINKEN massiv bekämpft. Auch hier führte der Rotstift Regie.
Die Einführung der Schulform „Gemeinschaftsschule“ in Schleswig-Holstein wurde von uns bisher immer als Mogelpackung kritisiert. Neben der allgemeinen Kritik, dass eine Schule den Namen Gemeinschftasschule nicht verdient, wenn nebenher noch die elitäre Schulform Gymnasium existiert, ist auch die konkrete Ausgestaltung nicht mit den Gemeinschaftsschulen vergleichbar, wie sie zum Beispiel in Skandinavien existieren. Das existierende Schulgesetz sieht an den
Gemeinschaftsschulen einen binnendifferenzierten Unterricht verpflichtend bisher nur bis inklusive Klasse 6 vor.
Ab Klasse sieben folgt in der Realität auch jetzt je nach pädagogischem Konzept der einzelnen Schule die „leistungsbezogene“ Aufteilung mindestens in den Hauptfächern. Von der Kernforderung der LINKEN nach einer Gemeinschaftsschule für Alle mit binnendifferenziertem Unterricht bis Klasse 10, die alle anderen Schularten überflüssig macht, ist das existierende Schulgesetz weit entfernt.
Auch die Ausstattung der Schulen und die Klassengrößen sind im alten Schulgesetz nicht verbindlich geregelt. Die Forderungen der LINKEN und der Bildungsstreikbewegung endlich den Sanierungsstau an den Schulen aufzulösen und im Schulgesetz festzuschreiben die Klassengröße auf 20 Schülerinnen und Schüler zu beschränken, sind im existierenden Schulsystem nicht umgesetzt.

…und am geplanten neuen Schulgesetz nicht alles schlecht!
Das sich nun in der Beratung befindliche Schulgesetz ist ohne Frage ein Schulgesetz, dass sich nicht traut den einzelnen Schulen Vorgaben zu machen und vieles der Beliebigkeit preisgibt; u.a. die Gestaltung des Unterrichtes. Hauptkritikpunkt unsererseits ist, dass nun auch an der Schulart Gemeinschaftsschule ab Klasse 5 abschlussbezogene Klassen gebildet werden KÖNNEN, WENN die Schulkonferenz dies beschließt. So stünde der Name Gemeinschaftsschule nur noch für Haupt-,
Real- und Gymnasium unter einem Dach, wo sich der Kontakt der Schülerinnen und Schüler untereinander auf den Pausenhof beschränkt.
Andererseits wird allerdings auch die bisher vorgeschriebene abschlussbezogene Unterrichtung an den Regionalschulen aufgeweicht. An Regionalschulen ermöglicht das neue Schulgesetz binnendifferenzierten Unterricht über Klasse sechs hinaus. Im existierenden Schulgesetz ist eine abschlussbezogene Trennung ab Klasse 7 vorgeschrieben.
Ob diese Freiheiten sofort Auswirkungen haben werden, steht in den Sternen. Es obliegt der einzelnen Schulkonferenz darüber zu entscheiden.
Ein definitiver Vorteil des neuen Schulgesetzes ist die Möglichkeit G9 auch am Gymnasium möglich zu machen. Dies verbreitet zwar Unruhe, bietet aber die Chance, dass G8 am Gymnasium durch eine Abstimmung mit den Füßen wieder rückgängig gemacht wird.

Schulfrieden?
Die Forderungen der (Volks-) Elterninitiative für einen Schulfrieden sind vor allem am Erhalt des Bestehenden orientiert. Auf ihrem Flyer (Quelle: Hier) fordert sie:

  • Verlässlichkeit in der Schule.
  • Inhaltliche Arbeit in den Schulen, statt ständiger Strukturdebatten.
  • Bildung in den Vordergrund zu stellen, ohne Parteiengeplänkel!
  • Ruhe für die Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und Eltern
  • Optimale Lehrerversorgung in den Schulen

Die ersten vier Forderungen sind der -aus der Perspektive eines Parteiverdrossenen
nachvollziehbaren- Sehnsucht nach Ruhe geschuldet. Die fünfte Forderung hat mit dem neuen
Schulgesetz oder der (Volks-) Elterninitiative nichts zu tun und ist eine Frage, die durch den
Landeshaushalt beantwortet wird.
Auch die Erwartung, dass ein runder Tisch aller Beteiligten sich dann 2013 nur zusammensetzen müsste und dann im Konsens punktuelle Verbesserungen im bestehenden Schulgesetz vornimmt, ist nur aus der Perspektive eines Politik- oder Parteiverdrossenen nachvollziehbar. Politik lebt von der Auseinandersetzung und widerstreitenden Interessen. Gerade fortschrittliche Verbesserungen durchzusetzen ist immer eine Machtfrage. Im Konsens mit einer elitären Minderheit wird es niemals eine echte Gemeinschaftsschule als einzige Schulform geben.

Schulkampf!
LINKE Schulpolitik muss immer für die Verbesserung des bestehenden streiten. Damit ist kein blinder Aktionismus gemeint, wie schwarz-gelb ihn betreibt, sondern ein stetiges Eintreten für unsere Kernforderungen, die ALLE im bestehen Schulgesetz nicht verwirklicht sind.

LINKE Bildungspolitik sollte kämpfen:

  • für eine Gemeinschaftsschule für Alle bis Klasse 10
  • für die individuelle Wahlfreiheit nach Neigungen und Fähigkeiten in der Oberstufe
  • für kleinere Klassen und mehr Lehrerinnen und Lehrer
  • für die bessere Ausstattung von Schulen
  • für solidarische Gruppenarbeit statt Frontalunterricht
  • für emamzipatorische Lerninhalte
  • für ein Lernen aus Interesse ohne Druck und aus Selbstzweck

Dies alles bedeutet eine langwierige Auseinandersetzung, einen Schulkampf, zu führen und mutig gegen Elitenbildung einzutreten! Schulfrieden kann es aus LINKER Sicht erst dann geben, wenn kein Kind in Schleswig-Holstein mehr unter der herrschenden Bildungsungerechtigkeit leidet und unsere Foredeungen Realität geworden sind. Auch Zwischenschritte dahin sind unterstützenswert.
Für die Verteidigung des bisher in Schleswig-Holstein bestehenden, sollten wir unsere ohnehin noch zu geringen Kräfte dagegen nicht einsetzen.

Fazit
Im Gegensatz zu den Vorgängen in Hamburg, wo eine substantielle Verbesserung, nämlich ein gemeinsames Lernen für alle ohne Ausnahme bis inklusive Klasse sechs, vorgesehen war, ist die (Volks-) Elterninitiative in meinen Augen nicht so fortschrittlich als das wir sie unterstützen sollten.
Unsere begrenzte Kraft verdient es in einen Schulkampf investiert zu werden, der die gesellschaftliche Debatte zur Schulpolitik in unserem Sinne beeinflusst.
Auch die Proteste gegen das Sparpaket, das vorsieht 3650 Stellen für Lehrerinnen und Lehrer zu streichen, sind dabei ein wichtiger Teil und enthalten mit der Forderung die öffentlichen Kassen durch ein gerechteres Steuersystem zu füllen den Schlüssel u.a. zu einem besseren Schulsystem.

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