Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren,
in den vergangenen Monaten wurde die Debatte um so genannten „Linksextremismus“ von Union und FDP mit einer bisher nicht dagewesenen Schärfe geführt. Insbesondere Bundesfamilienministerin Kristina Schröder hat die Debatte befeuert.
Ihr Ministerium stellt mit der Extremismusklausel alle Organisationen, die sich gegen Neo-Nazis engagieren und dabei öffentliche Fördermittel in Anspruch nehmen, unter den Generalverdacht des Extremismus.
Ich bin überzeugt davon, dass diese Debatte einen ideologischen Hintergrund hat:
Diese Debatte soll die antifaschistische Bewegung in einen ,,bürgerlichen“ und einen „extremen“ Teil spalten. Der extreme Teil soll nicht mehr zu den ,,normalen“ BürgerInnen gehören.
Innenminister Schlie dokumentiert seine Teilnahme an dieser ideologischen Diffamierungskampagne am Beispiel des Neonaziaufmarsches in Lübeck.
Zitat des Ministers: „Die Linksextremisten säuseln was von Gewaltfreiheit und antifaschistischem Kampf, um demokratische und friedliche Organisationen als Kulisse für Demonstrationen zu gewinnen. Der Gewaltverzicht ist aber nur taktisch motiviert. In Lübeck nutzt das gewaltorientierte linksextremistische Spektrum alljährlich die Veranstaltungen der Rechtsextremisten aus Anlass des Jahrestages der Bombardierung Lübecks durch die britische Luftwaffe im März 1942 als
Agitationsbühne.“
Wer so argumentiert, ist auf dem rechten Auge blind. Wer so argumentiert, kriminalisiert die Arbeit von antifaschistischen Gruppen.
Der Minister Schlie spricht hier von einer „Veranstaltung“ der Nazis und missachtet, welche Funktionen solche Aufmärsche für die Nazis haben. Gleichzeitig werden die Gegendemonstrierenden, also die Menschen, die sich friedlich dafür engagieren, dass Nazis ihre menschenverachtenden Meinungen nicht öffentlich propagieren und dafür werben können, von Minister Schlie beleidigt. Das ist eine unglaubliche Äußerung für einen Innenminister. Das ist erschreckend!
Der ideologisch motivierte Extremismusbegriff hat zwei Wirkungen: Erstens lässt er Nazis und ihre Überzeugungen ungefährlicher erscheinen, als sie sind, denn sie werden als Teil eines sogenannten extremistischen Problemfeldes relativiert. Ich warne entschieden vor dieser Sichtweise!
Nazis sind der Meinung, dass es eine Hierarchie der Menschenwürde gibt. Nazis verherrlichen Gewalt. Nazis sind gefährlich für diese Gesellschaft. Neonazis ermordeten seit 1990 rund 150 Menschen.
Zweitens zielt der ideologisch motivierte Extremismusbegriff auf eine Diffamierung der so genannten „Linksextremisten“ ab. Widerstand gegen die, die wirklich gefährlich sind, wird diffamiert. Widerstand gegen Antisemitinnen und Antisemiten, Rassistinnen und Rassisten; Widerstand gegen Homophobe, Neo-Faschistinnen und Neofaschisten, Rechtspopulistinnen und Rechtspopulisten.
Es geht dabei auch darum, linke Ideen und Konzepte insgesamt als „extremistisch“ zu brandmarken. Linke politische Arbeit wird in ihrer Gesamtheit öffentlichkeitswirksam diffamiert. Kritik an den bestehenden Verhältnissen soll unterbunden werden, wenn sie mit dem Weltbild der Regierungsmehrheit nicht übereinstimmt.
Die wissenschaftlich unhaltbare Gleichsetzung von Rechts und Links ist einfach und praktisch für Schwarz-Gelb, denn dadurch soll eine Auseinandersetzung mit linken Forderungen und daran anschließend Widerstand der Betroffenen gegen die Regierungspolitik insgesamt unterbunden werden.
Unser Änderungsantrag fordert die Landesregierung auf, konkret und schnell zu handeln. Projekte gegen die extreme Rechte in Schleswig-Holstein sollen aus Landesgeldern unterstützt werden.
Außerdem fordern wir die Landesregierung auf, eine Bundesratsinitiative zu starten, um die entsprechenden Passagen der so genannten Demokratieerklärung zu streichen.
DIE LINKE lehnt den Extremismusbegriff ab. Wir sind solidarisch mit allen, die aktiv gegen Neofaschismus kämpfen und sind der Auffassung, dass alle, die gegen Neonazis Courage zeigen, volle Unterstützung verdienen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!“