Arbeitsbedingungen für geringfügig Beschäftigte verbessern!

15. Dezember 2011  Im Landtag, Reden

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren,

Geringfügige Beschäftigung ist prekäre Beschäftigung. Es handelt sich um Minijobs. Mehr als 80 Prozent dieser Minijobs werden unterhalb der Niedriglohngrenze von 9,85 Euro pro Stunde entlohnt. Und, diese geringfügig Beschäftigten sind zudem völlig unzureichend sozial abgesichert. Sie entrichten keine eigenständigen Beiträge in die sozialen Sicherungssysteme und erwerben vor allem auch keine Ansprüche.

Minijobs bieten keine eigenständige Absicherung gegen allgemeine Lebensrisiken wie Arbeitslosigkeit, Krankheit und Altern. In dem Maße wie reguläre Arbeitsverhältnisse durch Minijobs verdrängt werden, verringern sich zudem die Einnahmen der Sozialsysteme. Ein neoliberaler Teufelskreis, meine Damen und Herren.

5 Millionen Beschäftigte arbeiten ausschließlich in Minijobs. Die meisten von ihnen wollen mehr arbeiten. Die meisten wollen eine Arbeit die Existenz sichert. Stattdessen werden sie in Zwangsarbeitsverhältnisse gepresst, die weiter von Hartz 4 abhängig machen.

Weitere 2,5 Millionen Menschen üben einen Minijob als Nebentätigkeit aus, um ein zu niedriges Einkommen aus dem Haupterwerb aufzustocken. Gleichzeitig werden sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze verdrängt. Es wird so zugleich immer schwieriger, einen Arbeitsplatz zu finden, der anständig entlohnt wird und von dem man leben kann. Wir brauchen keine Deregulierung des Arbeitsmarktes um Schlupflöcher für Zuverdienstmöglichkeiten zu schaffen. Wir brauchen einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn, damit Zuverdienst nicht nötig ist, meine Damen und Herren!

Minijobs tragen auch in erheblichem Maße zur geschlechtsspezifischen Spaltung des Arbeitsmarktes bei. Zwei von drei Minijobs werden von Frauen ausgeübt. Viele Frauen wollen eigentlich gar keinen Minijob. Zwei Drittel aller geringfügig beschäftigten Frauen würden gerne länger arbeiten, im Durchschnitt rund doppelt so lange.
Bei den Frauen stehen einer geringfügigen Beschäftigung lediglich drei sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze gegenüber, bei den Männern immerhin noch sechs. Durch die Privilegierung geringfügiger Beschäftigung wird ein überholtes Familienmodell mit dem Mann als Ernährer und der Frau als Zuverdienerin gefördert.

Minijobberinnen und Minijobber sind auch im Arbeitsalltag häufig benachteiligt. Obwohl das Arbeitsrecht auch für geringfügig Beschäftigte gilt, wird es oft missachtet. Geringfügig Beschäftigte erhalten meist keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder keinen bezahlten Urlaub. Sie werden kaum in Weiterbildungsmaßnahmen einbezogen. Das bestehende Diskriminierungsverbot gegenüber Teilzeitbeschäftigten wird in der Praxis unterlaufen.
Das Alles, meine Damen und Herren, führt dazu, dass sich Unternehmen auf Kosten der Beschäftigten immense Kostenvorteile verschaffen. Das ist eine Umverteilung von unten nach oben.

In der Wissenschaft wurde ein Vorschlag entwickelt, wie ein „Einstieg“ in die Sozialversicherungspflicht von geringfügiger Beschäftigung gestaltet werden könnte, der statt einer abrupten Einführung der Sozialversicherungspflicht einen schrittweisen Übergang von den bisherigen Regelungen zu einer vollständigen Gleichstellung ermöglicht. Diesem Vorschlag entsprechend sollen für jede Stunde Arbeit die vollen Sozialversicherungsbeiträge entrichtet werden. Bis zu einer bestimmten Verdiensthöhe von beispielsweise 100 Euro würden die Arbeitgeber den vollen Beitrag zur Sozialversicherung in Höhe von 42 Prozent tragen. Bei steigenden Verdiensten würden die Beschäftigten schrittweise an den Sozialversicherungsbeiträgen beteiligt. Ab 800 Euro Verdienst würden die Sozialversicherungsbeiträge paritätisch von Arbeitnehmern und Arbeitgebern finanziert.

Dieser Ansatz würde dazu führen, dass die Beschäftigten ihrem Einkommen entsprechende Ansprüche auf Sozialleistungen erwerben. Er macht zudem deutlich, dass die sogenannten Lohnnebenkosten Bestandteile des (Brutto-)Lohns sind, die der Arbeitgeber den Beschäftigten zahlt und die nur formell paritätisch erbracht werden. Entscheidend ist, dass damit den Arbeitgebern der finanzielle Anreiz genommen würde, geringfügige Beschäftigung zu schaffen, da die Summe der Sozialabgaben durchgängig bei 42 Prozent liegt.

Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten kennen übrigens mehrheitlich keine vergleichbaren Abweichungen von einer allgemeinen Sozialversicherungspflicht wie in Deutschland. Die Überleitung von geringfügiger in sozialversicherungs- pflichtige Beschäftigung ist deshalb auch wichtig für ein sozial einheitliches Europa. Beachtenswert ist die Volksabstimmung im April dieses Jahres in Slowenien. 80 Prozent haben sich dort gegen eine Einführung von Minijobs nach deutschem Vorbild ausgesprochen.

Für eine Gleichstellung von geringfügiger und regulärer Beschäftigung sprechen sich mittlerweile auch viele Verbände und Organisationen aus. Die Gewerkschaften fordern neue Regeln für die geringfügige Beschäftigung. Der Deutsche Frauenrat will die Geringfügigkeitsgrenze abschaffen und eine „Sozialversicherungspflicht ab dem ersten Euro“ einführen. Auch der 68. Deutsche Juristentag empfiehlt die „abgabenrechtliche Privilegierung der geringfügigen Beschäftigung“ aufzugeben. Sie alle stehen damit auf Seite der LINKEN.

Die SPD dagegen will mit ihrem Antrag ganz nach alter sozialdemokratischer Maxime ein bisschen an den schlimmsten Symptomen der Minijobs rumdoktern und am Ursprungsleiden, das sie selbst unter rot-grün hervorgerufen hat, nichts verändern.

Wir, DIE LINKE, wollen Minijobs mit sozialversicherungspflichtiger Arbeit gleichstellen. Nur dann wird es einen Abbau prekärer Beschäftigungsverhältnisse geben!

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