Herr Präsident, meine Damen und Herren,
prekäre Beschäftigung in der Wissenschaft, das ist heute keine Ausnahme, sondern die traurige Realität für etwa 85 Prozent der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler.Ich möchte versuchen ihnen in meinem Redebeitrag einen kurzen Überblick über die Situation an unseren Hochschulen zu geben, denn ganz offensichtlich hat das bisher kaum eine andere Fraktion interessiert.
Eine Ursache für die Prekarisierung des Wissenschaftsbetriebs ist das Wissenschaftszeitvertragsgesetz. Das Sonderbefristungsrecht für die Wissenschaft wurde bereits unter Rot-Grün eingeführt und dann 2007 von der Großen Koalition in einem eigenen Gesetz geregelt. Es ermöglicht eine sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen innerhalb von 12 Jahren und auch über diese Frist hinaus, wenn es sich um drittmittelfinanzierte Forschung handelt. Einmalig ist zudem die so genannte Tarifsperre. Das heißt, dass Gewerkschaften und Arbeitgeber nichts Abweichendes regeln dürfen.
Wir als LINKE setzen uns mit unserem Antrag dafür ein, dass dieser Wahnsinn endlich ein Ende hat. Und das kann nur durch eine Überarbeitung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes erfolgen, so wie wir es in unserem Antrag fordern.
Seit Jahren laufen Gewerkschaften und Verbände Sturm gegen die Ausbeutungsverhältnisse im Wissenschaftsbetrieb. Ich möchte in diesem Zusammenhang nur auf das Templiner Manifest hinweisen, dass sich seit Jahren für eine Reform der Personalstrukturen und Berufswege in Hochschule und Forschung einsetzt.
Es kann doch nicht sein, dass es an unseren Hochschulen kaum sichere Beschäftigungsperspektiven, ohne eine Professur, gibt.
In einer kleinen Anfrage, die unsere Fraktion gestellt hat, tritt zudem der traurige Umstand zu Tage, dass allein an der CAU 53 Lehrbeauftragte im WS 2009/10 ohne Vergütung beschäftigt waren. Der Schweizer Historiker Caspar Hirschi vergleicht die Situation von Angestellten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Deutschland mit der von Günstlingen an Fürstenhöfen. (Ich zitiere): „Um sich im akademischen Betrieb zu halten, müssen sie den Ruhm ihres professoralen Patrons durch treue Dienste und wissenschaftliche Taten erhöhen.“
Es muss endlich Schluss sein mit der Ausbeutung von Lehrkräften. DIE LINKE fordert deshalb Mindeststandards für Bezahlung, Vertragsdauer und Verlängerungsoptionen zu gewährleisten und zwar nicht nur für Lehrkräfte, sondern für den gesamten wissenschaftlichen Mittelbau.
Die Quote der Teilzeitbeschäftigung stieg in den letzten Jahren enorm an. Über die Hälfte der universitär Beschäftigten arbeiten in Teilzeit.
Langfristig gefährden wir durch diesen unverantwortlichen Umgang mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nicht nur die Qualität von Wissenschaft und Forschung. Nein, wir nehmen auch in Kauf, dass junge gutausgebildete Fachkräfte ihren Berufsweg außerhalb Deutschlands fortsetzen.
Und die zweite maßgebliche Ursache für die Prekarisierung wissenschaftlicher Beschäftigung liegt in der Verantwortung der Schleswig-Holsteinischen Regierung.
Die strukturelle Unterfinanzierung von Wissenschaft und Forschung hier im Land gefährdet die Existenz zahlreicher junger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Hoch- und Höchstqualifizierte werden hier wie ein lästiger Titel im Haushalt behandelt. Sie sind belastet durch eine unsichere Zukunft, durch mangelnde Berufsperspektiven und eine enorme Beeinträchtigung der Lebenschancen. Die Stipendienflut ebenso wie die Abhängigkeit von sehr kurzen drittmittelfinanzierten Projekten müssen endlich eingegrenzt werden. Selbst die DFG empfiehlt mehr auf Stellen als auf Stipendien zu setzen.
DIE LINKE fordert, endlich den Landeszuschuss angemessen zu erhöhen. Daueraufgaben müssen durch Dauerstellen besetzt werden. Stipendien sind auf die sehr wenigen Fälle zu reduzieren, in denen sie geeigneter sind als Stellen. Der Regelfall in der Promotion sollte ein Arbeitsverhältnis mit sozialer Absicherung und angemessenem Umfang an Arbeitszeit und Gehalt sein. Stipendien werden häufig als besonderer Status gesehen. Ungeachtet bleibt dabei, dass weder in Arbeitslosen-, noch in die Rentenversicherung eingezahlt wird. Und obwohl die Stipendiatinnen und Stipendiaten in den gleichen Laboren und Büros stehen, wie ihre angestellten Kolleginnen und Kollegen, genießen sie keinen Unfall- oder Arbeitsschutz.
Und abschließend möchte ich auch noch mal die Familienfreundlichkeit unserer Hochschulen hinweisen. Bisher ist nicht viel passiert, mal abgesehen von Lippenbekenntnissen.
Es muss sich etwas ändern. Wissenschaft als Beschäftigungsverhältnis darf nicht länger in der Prekarisierung versinken! DIE LINKE steht für gute Arbeit – auch in der Wissenschaft!
Weitere Informationen:
Zugehöriger Antrag der Fraktion DIE LINKE.: Gute Arbeit in der Wissenschaft – Verlässliche berufliche Perspektiven des wissenschaftlichen Nachwuchses in Schleswig-Holstein sicherstellen