Herr Präsident, meine Damen und Herren,
DIE LINKE hält ein eigenständiges Vergabe- und Tariftreuegesetz für unbedingt nötig. Deshalb möchte ich mich hier ausdrücklich beim SSW bedanken, dass dieser schon im letzten November die Debatte darüber angestoßen hat.
(Beifall bei der LINKEN)
Tariftreue und die Vergabe öffentlicher Aufträge sollten nicht mit einem Unterpunkt im Mittelstandsförderungsgesetz geregelt werden. Unser Änderungsantrag zum Gesetzentwurf der SPD beinhaltet die Einführung eines Mindestlohnes von 10 Euro bei öffentlichen Aufträgen. Ein Mindestlohn von 10 Euro ist eine der Kernforderungen der LINKEN. DIE LINKE tritt für einen Mindestlohn ein, weil sie gerechte Löhne für gute Arbeit zu einer Selbstverständlichkeit machen will und nicht – wie es im Moment passiet – immer mehr zur Ausnahme.
(Beifall bei der LINKEN)
Viele Dinge sprechen heute dafür, dass ein Mindestlohn Realität werden kann und werden muss. Sogar der Deutsche Juristentag setzt sich nun für Mindestlöhne ein. Eine Höhe nennt er nicht, aber er nennt Vorgaben. Jeder Mensch, der 45 Jahre gearbeitet hat, soll danach eine Rente erhalten, die über dem Existenzminimum liegt. Wenn ein Mensch 45 Jahre lang für 7,50 € die Stunde voll gearbeitet hat, dann bekommt er eine Rente von 620 €. Dies liegt unter der Grundsicherung im Alter, und das geht nicht.
(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Seit dem Start von Hartz IV haben die Steuerzahler weit über 50 Milliarden € ausgegeben, um Niedriglöhne aufzustocken. Die Ausgaben für die Aufstockung stiegen kontinuierlich von 8 Milliarden € im Jahr 2005 auf 11 Milliarden € im Jahr 2009. Fast jeder dritte Euro muss dafür herhalten, Niedriglöhne aufzustocken, um den Lebensunterhalt zumindest auf unterster Ebene zu sichern. 2005 hat dieser Anteil noch bei einem Fünftel gelegen. Auch das ist eine Ursache für die wachsende Verschuldung von Bund, Ländern und Gemeinden.
Der einzige ökonomisch bedeutsame Teil von Hartz IV war die Absenkung des Sozialhilfeminimums. Wer seither seinen Job verliert und keinen neuen bekommt, dem droht der soziale Absturz. Aus eigener Kraft wieder hochzukommen, ist im Hartz-IV-System so gut wie ausgeschlossen. Damit erhöht Hartz IV kontinuierlich die Kosten, die auf den Verlust des Arbeitsplatzes folgen. Aufgrund dieser Lage haben Arbeitnehmer einen massiven Zwang, ihre Stelle um fast jeden Preis zu erhalten. Das führt wiederum dazu, dass die Reallöhne im Niedriglohnsegment fallen, und zwar selbst in Zeiten des Aufschwungs.
Die Landesregierung plant, das Tariftreuegesetz des Landes Schleswig-Holstein auslaufen zu lassen. Stattdessen soll das Vergaberecht in ein Mittelstandsförderungsgesetz integriert werden. Es soll lediglich auf allgemeinverbindliche Tarifverträge hingewiesen werden. Das ist jedoch eine pure Selbstverständlichkeit. Es wäre ja noch schöner, wenn die öffentliche Hand als Auftraggeber allgemeinverbindliche Tarifverträge unterlaufen würde!
Die SPD hat heute den Entwurf für ein Tariftreue- und Vergabegesetz eingebracht. Die SPD-Fraktion hat dem Landtag fast wortgetreu das existierende Tariftreue- und Vergabegesetz des Landes Bremen vorgelegt. Das Tariftreuegesetz aus Bremen enthält einige fortschrittliche Paragrafen. Ich nenne einige Beispiele: Nur Unternehmen, die ausbilden, sollen öffentliche Aufträge erhalten. Nur Unternehmen, die ökologische Standards einhalten, sollen öffentliche Aufträge bekommen.
(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)
Diese Forderungen tauchen auch in der heutigen Vorlage der SPD auf, und das ist gut so. Unerklärlicherweise ist allerdings der Paragraf zum Mindestlohn verschwunden. Den Mindestlohn als sinnvolle Forderung hat die SPD herausgestrichen. Das finde ich sehr interessant. Ebenso verschwunden ist die in Bremen obligatorische Prüfung öffentlicher Aufträge durch eine Sonderkommission. Diese Sonderkommission prüft alle öffentlichen Auftragsvergaben und gewährleistet damit die Einhaltung des Gesetzes. Stattdessen hat die SPD eine Kann-Regelung eingefügt, nach der die Landesregierung die Überprüfung durchführen soll. Wie zielführend kann es aber sein, Parteien mit der Überprüfung von Unternehmen zu befassen, die das für eine Zumutung halten?
DIE LINKE hat sowohl den Mindestlohn als auch die Sonderkommission zur Kontrolle der Einhaltung des Gesetzes im Änderungsantrag eingebracht.
Ich kenne die Einwände, ein Mindestlohn nur bei öffentlichen Aufträgen sei nicht EU-konform. Gerichtsurteile vorwegzunehmen, ist nicht die Aufgabe des Parlaments. Unser Antrag orientiert sich in diesem Punkt an der existierenden Regelung in Berlin. Was sagt es über die SPD aus, wenn sie nicht einmal mehr versucht, einen Mindestlohn zu verankern? – Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Sozialdemokratie, das ist arm. Wagen Sie doch zumindest den Versuch. Ich frage mich ernsthaft, wie Abgeordnete, die hier sitzen und einen Mindestlohn ablehnen, es morgens fertigbringen, mit gutem Gewissen das Landeshaus zu betreten. Die Pförtner hier verdienen 6,05 € pro Stunde, und zwar brutto.
(Zurufe von der FDP)
– Ihr Geraune zeigt, welches Menschenbild Sie haben. Ganz im Ernst: Alle, die gegen Mindestlöhne sind, sollten jeden Morgen vor der Tür vor Scham im Boden versinken. Eigentlich können Sie diesen hart arbeitenden Menschen unmöglich mit gutem Gewissen vor die Augen treten.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag.
(Beifall bei der LINKEN)