Sehr geehrter Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen,
während ein Land nach dem anderen die Studiengebühren abschafft, forderte im Sommer diesen Jahres die Landesrektorenkonferenz, ihre Einführung in Schleswig-Holstein.
Dabei müssten die Beteiligten eigentlich wissen, dass sich an der finanziellen Misere der Hochschulen auch mit Gebühren nichts ändern würde.
Die Uni Kiel allein hat ein strukturelles Defizit von ca. 37 Millionen €. Um dieses aufzufangen, müssten bei den gegenwärtigen Studierendenzahlen pro Semester 750€ Gebühren erhoben werden. Und das ist nur die Deckung des aktuellen Defizits. Ein Defizit übrigens, was nicht die Hochschulen verursacht haben, sondern die Politik.
Darüber hinaus würde die Einführung von Studiengebühren überhaupt nichts an den miserablen Studienbedingungen ändern, wie der Arbeitgeberverband treffend festgestellt hat. Denn die Auflagen der Gebühren schränken die Möglichkeiten ihrer Verwendung so weit ein, dass eine sinnvolle, langfristige Investition überhaupt nicht möglich ist. Ich zitiere mal aus einer ihrer Hochglanzbroschüren:
„Erlaubt sind alle denkbaren Sachmittel und nicht prüfungsrelevantes Lehrpersonal. Die dringend benötigten zusätzlichen Lehrkapazitäten sind tabu, weil sonst die Kapazitätsverordnung greift. Dies ist eine unproduktive Pattsituation, die zu sinnlosem und überflüssigem Geldausgeben einlädt.“
DIE LINKE bewertet Studiengebühren allerdings nicht nach ihrer technischen Machbarkeit. Die Debatte um die Hochschulfinanzierung würde damit entpolitisiert und auf eine Machbarkeitsfrage reduziert.
Wir, DIE LINKE, lehnen Studiengebühren aus hauptsächlich zwei Gründen ab:
1. Die Finanzierung des Bildungssystems ist eine ureigenste staatliche Aufgabe. Bildung ist keine Dienstleistung, sondern ein Grundrecht. Die zunehmende Umstellung der Hochschulfinanzierung auf Drittmittel und Studiengebühren sollen die politisch gewollte Unterfinanzierung des Hochschulsystems kaschieren und den schrittweisen Rückzug des Staates aus seiner Verantwortung vorbereiten.
Herr Günther, in Ihrer Pressemitteilung vom 24. Juni forderten Sie, über Studiengebühren nachzudenken. Ich frage Daniel Günther und die CDU: Möchten Sie Grundrechte zu einer Kostenfrage machen? Wir, DIE LINKE, lehnen so etwas Abscheuliches ab.
2. Gebührenbefürworter behaupten, Studiengebühren seien fair, weil sie die Nutznießer des Studiums an den Kosten des Studiums beteiligt. Die Industriellendenkfabrik „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ schreibt auf ihrer Website:
„Im gebührenfreien System zahlt der Sohn des Taxifahrers für das Studium des Arztsohnes.“
Das lässt einen tiefen Einblick in die Weltsicht dieser Eliten zu.
Die INSM scheint die Ansicht zu vertreten, dass der Sohn des Taxifahrers gefälligst Taxi zu fahren hat, und an einer Universität nichts verloren hat. Im 21. Jahrhundert ist das schändlich, rückwärtsgewandt, und schlicht reaktionär. Das ist preußische Ständementalität, die durch die Einführung von Studiengebühren gestützt werden soll.
Wenn die Gutverdienenden einen höheren Beitrag leisten sollen, als die kleinen und mittleren Einkommen, warum sollte man diejenigen, die im Beruf tatsächlich mehr verdienen, nicht BESTEUERN?
Der zentrale Widerspruch der gesamten Argumentation scheint niemanden zu stören. Die Studierenden sind also Sozialschmarotzer und lassen sich von Arbeiterinnen und Arbeitern das Studium finanzieren, sollen also endlich zur Kasse gebeten werden. Aber sobald sie nach dem Studium einen gutbezahlten Job gefunden haben, verwandeln sie sich plötzlich in Leistungsträger, denen die Steuern gesenkt werden müssen, damit sie nicht abwandern!
Die Arbeitgeberverbände und Bertelsmenschen lassen keine Gelegenheit aus, um die Wichtigkeit von Wissenschaft und Hochschulen für die Wirtschaft zu betonen. Dann sollten diese sich für höhere Steuern einsetzen.
Drittmittel, Forschungsaufträge sowie staatlich geförderte Kooperationen sind dagegen kein angemessener Beitrag, sondern die staatliche Subventionierung der Forschungs- und Entwicklungsabteilungen der Konzerne. Einen angemessenen Beitrag könnten die Unternehmen über eine Erhöhung der Körperschaftssteuer leisten, nachdem in den letzten 13 Jahren die Beteiligung der Vermögenden und der Konzerne systematisch verringert wurde, bei gleichzeitiger Mehrbelastung der unteren und mittleren Einkommen sowie eines sozialen Kahlschlags sondergleichen.
Wir DIE LINKE fordern die gesetzliche Verankerung der Gebührenfreiheit, und wenn SPD, Grüne und FDP es ernst meinen mit der Ablehnung von Studiengebühren, dann ist jetzt der richtige Moment, es zu beweisen.