Dänemarks Parlament beerdigt Brückenprojekt und beschließt Bau eines Tunnels durch den Fehmarnbelt. Ein Gespräch mit Björn Thoroe.
Das dänische Parlament hat eine Entscheidung zur festen Querung des Fehmarnbelts getroffen. Was hat das Folketing beschlossen?
Die Planungshoheit für das Projekt liegt in Dänemark. Es stand zur Debatte, eine Brücke über die Meerenge zu bauen, oder die Ostsee an dieser Stelle zu untertunneln. Die dänischen Abgeordneten haben sich jetzt für die Tunnelvariante entschieden.
Die Querung selbst wird von den Dänen bezahlt. Welche Kosten kommen auf Deutschland zu?
Für die Hinterlandanbindung kommen die deutschen Steuerzahler auf. Sie wird nicht 800 Millionen Euro kosten, wie die schleswig-holsteinische Landesregierung immer behauptet, sondern mindestens 1,7 Milliarden Euro, wie der Bundesrechnungshof ermittelt hat.
Es gab mehrere Wirtschaftlichkeitsstudien. Was wurde darin untersucht?
Der volkswirtschaftliche Nutzen des Vorhabens soll bestimmt werden. Konkret lautet die Fragestellung, welche Summe jeder investierte Euro nach dem Bau des Tunnels wieder einbringt. Die Studie im Auftrag der Bundesregierung ergab laut Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU), daß jeder Euro hinterher 6,70 Euro erwirtschaftet. Damit sei Hinterlandanbindung der Fehmarnbeltquerung das lohnendste Verkehrsprojekt in der gesamten Bundesrepublik. In die Berechnung floß aber nicht ein, daß die Arbeitsplätze der Fährverbindung Puttgarden–Rødby vernichtet werden und daß Jobs im Tourismus wegfallen – sowohl auf der Insel Fehmarn als auch im Kreis Ostholstein. Außerdem nahmen die Verfasser an, daß der Transitverkehr nach Kopenhagen über Flensburg führe. Tatsächlich nutzen die meisten Autos und LKW aber die Fähre über den Belt. Deshalb schlagen wir vor, die Schiffsverbindung auszubauen. Volkswirtschaftlich ist der Tunnel reiner Irrsinn. Berücksichtigt man nämlich den Arbeitsplatzabbau und die bestehende Route, so reduzieren sich die 6,70 Euro auf rund ein Zehntel, konkret 66 Cent. Das ist ein klares Minusgeschäft, wie ein Gutachten ergeben hat, das vom Aktionsbündnis gegen die feste Fehmarnbeltquerung in Auftrag gegeben wurde.
Warum kommt dann der Tunnel, wenn er sich nicht lohnt?
Die Planungen begannen in der Mitte des letzten Jahrzehnts und gingen von einem immer weiter steigenden Güterverkehr aus. Mit dem Einbruch der Weltwirtschaftskrise erwiesen sich diese Prognosen als völlig irrational. Die Verantwortlichen haben sich verrannt und wollen jetzt nicht mehr zurück. Die Politiker schmücken sich lieber mit einem Prestigeobjekt, auf der deutschen wie auf der dänischen Seite. Außerdem profitiert davon die Bauindustrie. Schließlich gab es eine Vereinbarung zwischen Schweden und Dänemark, nach der Brücke über die skandinavische Meerenge eine direkte Anbindung nach Kontinentaleuropa über Fehmarn zu schaffen.
Was ist daran auszusetzen, von Hamburg oder Berlin auf geradem Weg nach Kopenhagen und weiter nach Stockholm fahren zu können?
Die 1,7 Milliarden Euro für die Hinterlandanbindung fehlen dann an anderen Stellen in Schleswig-Holstein. Das betrifft die geplante S-Bahn von Hamburg nach Ahrensburg, den doppelgleisigen Ausbau der Schienenstrecken im Norden unseres Bundeslands, oder die dringend benötigten Stadtbahnen in Kiel und Lübeck. Dafür hat das Bundesverkehrsministerium jetzt die Gelder gestrichen.
In Ostholstein und auf Fehmarn lehnen viele Bürger die feste Querung ab. Welche Nachteile haben sie zu erwarten?
Beispielsweise wird alle dreißig Minuten ein Güterzug durchfahren, denn eine Schienenstrecke ist Teil der Querung. Das bedeutet eine enorme Lärmbelastung. Da will natürlich kaum jemand noch Urlaub machen. Beim Bau einer großen und hohen Hängebrücke wäre die Vogelfluglinie gefährdet gewesen, auch der Schiffsverkehr hätte wegen der Pfeiler Einbußen erlitten. Insofern ist der Tunnel besser geeignet. Das sind aber auch die einzigen Vorteile.
Ist das Bauvorhaben noch zu verhindern? Es gibt schließlich einen internationalen Vertrag.
Der beinhaltet aber eine Ausstiegsoption bei Kostensteigerungen. Die Ausgaben haben sich nach seriösen Schätzungen verdoppelt. Der Tunnel muß also nicht gebaut werden. Die Bürger und ihre Initiativen werden jetzt Eingaben und Klagen nutzen, um gegen den Bau vorzugehen. Denn das Raumordnungsverfahren beginnt jetzt erst.
Interview: Mirko Knoche
Erschienen in der Tageszeitung junge Welt vom 04.02.2011