Frau Präsidentin, meine Damen und Herren,
wir reden hier heute über Jugendliche in Ausbildung. Damit über Jugendliche, die sehr oft keine Möglichkeiten haben sich gegen schlechte Ausbildungsbedingungen zur Wehr zu setzen. Unsere große Anfrage und der Ausbildungsreport der DGB–Jugend Nord haben für den Bereich der Ausbildungsbedingungen im Hotel- und Gaststättengewerbe erschreckende Ergebnisse hervorgebracht.
Die Ausbildungsbedingungen im Hotel- und Gaststättengewerbe sind eklatant schlechter als in anderen Bereichen:
Die Vergütung ist deutlich geringer als in anderen Branchen. 89 Prozent der Azubis erhalten weniger als 500 Euro im Monat. In anderen Branchen sind es nur 38 Prozent mit dieser niedrigen Ausbildungsvergütung. Es arbeiten 63 Prozent der Azubis über 40 Wochenstunden, in anderen Branchen sind es nur 20 Prozent. Nur 20 Prozent der Azubis erhalten im Hotel- und Gaststättengewerbe mehr als 25 Urlaubstage, in anderen Branchen sind es 55 Prozent. 48 Prozent bekommen keinen Überstundenausgleich, in anderen Branchen sind es nur 19 Prozent.
Hinzu kommt oft eine menschlich herabwürdigende Haltung von Vorgesetzten gegen Auszubildende.
Im Jahr 2009 standen 1.062 neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen 492 Verträge gegenüber, die wieder gelöst wurden. Das entspricht einem Anteil von 38,8 Prozent. Im Durchschnitt aller Ausbildungsberufe wurde im selben Jahr etwa ein Viertel aller Verträge gelöst. 2008 gab es sogar 42,6 Prozent Vertragsauflösungen an allen Ausbildungsverträgen im Hotel- und Gaststättengewerbe. Damit nimmt Schleswig-Holstein im Vergleich mit anderen Bundesländern eine Spitzenposition ein.
Ein weiteres Beispiel für das Verheizen junger Menschen sind die Antworten der Landesregierung für den Ausbildungsgang Koch. Von 600 jungen Menschen, die eine Ausbildung zum Koch aufnehmen, schafft es ungefähr die Hälfte zu einem Berufsabschluss. Von diesen 300 Jungköchen gelingt etwas mehr als einem Drittel der direkte Übergang in den Beruf. Das sind gerade einmal 100 Jungköche von ehemals 600 Einsteigern. Auf ein einzigartiges duales Ausbildungssystem zu schwören und gleichzeitig etwa 80 Prozent der Koch-Azubis auf der Strecke zu lassen, das passt nicht zusammen.
Als Konsequenz dieser Zustände hat der DGB Jugendliche nun vor einer Ausbildung im Bereich des Hotel- und Gasttättengewerbes ausdrücklich gewarnt. Das ist für Schleswig-Holstein, ein Land das von der Tourismusbranche lebt, eine Katastrophe.
Unerklärlich bleibt mir und meiner Fraktion, dass die Landesregierung sich weigert die Situation zur Kenntnis zu nehmen. Die Landesregierung verschließt die Augen und redet von einzelnen schwarzen Schafen. Die Landesregierung laviert herum. Ich zitiere aus der großen Anfrage: „Nach Mitteilung des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes Schleswig-Holsteine.V. (DEHOGA) entgeht es dem Verband durchaus nicht, dass es in der Branche „schwarze Schafe“ gibt. Die überwiegende Mehrheit der Ausbildungsbetriebe sei sich der Notwendigkeit von Ethikstandards, die über das bloße Einhalten des Rechtsrahmens hinausgehen, gerade vor dem Hintergrund des Bewerberrückganges durchaus bewusst. Es sei nicht zutreffend, dass die Arbeitsbedingungen des Gastgewerbes per se durch harte Arbeit, Überstunden und rauen Ton geprägt sind. Beispielsweise stelle der Verband im Bereich der Begabtenförderung, deren Teilnehmer auch aus der Sternegastronomie kommen, fest, dass die Arbeitsbedingungen
seitens der Auszubildenden zwar als Herausforderung, aber vor allem als Chance gesehen werden, wertvolle Kenntnisse und Fertigkeiten zu erwerben.“ Zitat Ende
So geht das nicht! Ein winziger Bruchteil der Azubis im Hotel- und Gaststättengewerbe profitiert von Begabtenförderung in der Sternegastronomie! Zudem reicht es nach den Ergebnissen der großen Anfrage als auch des Ausbildungsreports nicht sich allein auf die Angaben des Arbeitgeberverbandes zu stützen. Die Landesregierung sieht nur, was sie sehen will. Die Landesregierung handelt unverantwortlich gegenüber betroffenen Jugendlich und unverantwortlich gegenüber dem Land Schleswig-Holstein.
Ein weiterer wichtiger Aspekt der großen Anfrage ist der Bereich Jugendarbeitsschutzgesetz. Oft wird so getan, als ob im Ausbildungsbereich der Anteil von unter 18-jährigen verschwindend gering sei. Die Antwort der Landesregierung zeigt die Realität sieht anders aus. Ein gutes viertel der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge wird mit Minderjährigen geschlossen. Eine Aufweichung des Jugendarbeitsschutzes ist unverabtwortlich. Unter 18-jährige länger als bis 22 Uhr arbeiten zu lasen lehnt DIE LINKE ab. Die Begründungen der Landesregierung dafür sind fadenscheinig. Mehrgängige Bankette finden nicht nur Abends, sondern gerade am Wochenende auch tagsüber statt. Auch Kassenabschlüsse finden nicht nur nach 22 Uhr, sondern nach jeder Schicht statt. Es geht allein um bessere Ausbeutungsbedingungen von Minderjährigen.
Hinzu kommt, dass die Landesregierung als Rechtsaufsicht, die Kontrolle ob Recht eingehalten wird, für nicht nötig befindet. Ich zitiere aus der Anfrage: „Das Hotel- und Gaststättengewerbe ist im Rahmen der Vollzugsstrategie für den staatlichen Arbeitsschutz unter Risiko- und Prioritätsaspekten in eine niedrige Gefahrenklasse eingestuft, so dass auch Besichtigungen im Hotel- und Gaststättengewerbe nur in geringem Maße stattfinden.“ Zitat Ende.
Nach den vorliegenden Ergebnissen kann ich nur heftig an sie appellieren: Sorgen Sie dafür, dass die Einhaltung von Gesetzen auch kontrolliert wird, Herr de Jager. Alles andere wäre unterlassene Hilfeleistung.“ DIE LINKE fordert unabhängige wirksame Kontrollen und die Einrichtung einer unabhängigen Ombudsstelle. Nur so können im Betrieb auftretende Konflikte auf anäähernd gleicher Augenhöhe geschlichtet werden.
Nun zur Situation auf dem Ausbildungsmarkt insgesamt und dem Bündnis für Ausbildung. Es ist schlicht und ergreifend ein Märchen, dass es zu wenig Jugendliche für zu viele Ausbildungsplätze gäbe. Es ist umgekehrt. Die Lage auf dem Ausbildungsmarkt ist für Jugendliche mit einem schlechteren Schulabschluss noch immer oft aussichtslos. Über 70.000 Altbewerberinnen und Altbewerber warten darauf endlich einen Ausbildungsplatz zu erhalten. In Schleswig-Holstein sind es laut Ausbildungsreport der DGB-Jugend rund 5000 junge Menschen, die händeringend nach einer Ausbildung suchen. Die von den Kammern verbreiteten Zahlen sind manipuliert. Um alle Altbewerberinnen und Altbewerber zu berücksichtigen und jedem Jugendlichen eine Auswahlmöglichkeit zuzugestehen, müssten einmalig rund 40.000 Ausbildungsplätze von den Betrieben in Schleswig-Holstein angeboten werden. DGB Vize und CDU–Mitglied Ingrid Sehrbrock kommentiert dies so Zitat: „Diese Zahlen zeigen: Der Fachkräftemangel ist hausgemacht. Schuld ist die Wirtschaft. Diese wählt die besten Schulabgänger aus und schreibt den Rest als „nicht ausbildungsfähig“ ab.“
Wir brauchen ehrliche Zahlen. DIE LINKE hat schon vor über einem Jahr die schnelle Einführung einer integrierten Ausbildungsstatistik gefordert. Die Landesregierung verschleppt die Einführung ohne Not immer weiter in die Zukunft.
Der Antrag der SPD ist deutlich zu kurz gesprungen. Deshalb haben wir einen Änderungsantrag eingebracht. Soll das Bündnis für Ausbildung wirklich Sinn machen, darf es nicht auf freiwilligen Selbstverpflichtungen beruhen.
Die Forderung der LINKEN nach einer Ausbildungsplatzumlage bleibt aktuell und richtig. Betriebe, die nicht ausbilden, müssen zahlen. In die Landesverfassung gehört ein Recht auf Ausbildung. DIE LINKE wird dazu noch in dieser Legislatur einen Gesetzentwurf einbringen.
DIE LINKE streitet für gute Ausbildung für alle!