Schlagwort: Rede

Zum Thema Abschiebehaft

06. Oktober 2010  Dreiminutenbeiträge, Reden

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Erst einmal zwei Fakten: Ich war auch mit in Rendsburg. 80 % der Verfahren, die von einem hannoveraner Anwalt bis zum Bundesverfassungsgericht gegen Abschiebehaft durchgefochten worden sind, sind gewonnen worden. Das hilft den Betroffenen aber nichts mehr. Denn sie sind dann schon längst irgendwo anders. Ganzen Beitrag lesen »

Zum Landesentwicklungsplan

10. September 2010  Reden

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Leider ist der Landesentwicklungsplan absolut visionslos geblieben. Der Landesentwicklungsplan gibt keine Antworten auf drängende Zukunftsfragen wie zum Beispiel die demografische Entwicklung. Der Landesentwicklungsplan fördert motorisierten Individualverkehr in einem Maß, das nicht hinnehmbar ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Landesentwicklungsplan ist eine Fortschreibung konservativer Politik der 70er-Jahre gespickt mit den Ansätzen der FDP, die den Staat zurückdrängen will.

(Zurufe von der FDP: Ja, ja!)

DIE LINKE steht für ein modernes Schleswig-Holstein der Zukunft.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wenn das so aussieht wie Sie, Herr Thoroe, dann gute Nacht!)

Es ist nicht hinnehmbar, wenn junge oder ältere Menschen, Menschen, die sich kein Auto leisten können, oder Menschen, die aus anderem Grund kein Auto nutzen können, in ländlichen Gebieten massiv in ihrer Mobilität eingeschränkt sind.

DIE LINKE will den öffentlichen Personennahverkehr massiv ausweiten. Auch außerhalb der Kernzeiten des Berufsverkehrs muss es Menschen möglich sein, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dies würde für alle Beteiligten große Vorteile bringen. Es würden Arbeitsplätze geschaffen. Für junge und ältere Menschen wäre es attraktiver auf dem Land, und nicht zuletzt würde die Umwelt profitieren, wenn erst einmal die Möglichkeit bestehen würde, das Auto überhaupt stehen zu lassen. Im Moment funktioniert das ja gar nicht.

DIE LINKE spricht sich in aller Deutlichkeit gegen neue Großprojekte im Straßenbau aus. Millionen- oder gar Milliardengräber kann Schleswig-Holstein nicht gebrauchen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Fehmarnbelt-Querung oder ein neuer Elbtunnel sind solche Milliardengräber.

Zudem stehen auch hier der Umweltaspekt und der soziale Aspekt an vorderer Stelle. Investitionen in die Schiene sind ökologisch sinnvoller und kommen darüber hinaus auch Menschen ohne Auto zugute. Der Landesentwicklungsplan bleibt im alten Straßentrott und ist daher hoffnungslos rückwärtsgewandt.

DIE LINKE will die Westküste und die maritime Wirtschaft stärken und setzt sich für landeseigene Häfen in Schleswig-Holstein ein.

(Beifall bei der LINKEN)

In ohnehin schon strukturschwachen Gebieten einen solchen Aderlass vorzunehmen, ist wirtschaftlicher Kahlschlag und trifft ganze Regionen. Wer will und kann sich Friedrichskoog, Husum, Büsum, Tönning, Friedrichstadt oder Glückstadt ohne Hafen vorstellen!

DIE LINKE hält die Pläne der Landesregierung in diesem Bereich für fatal. DIE LINKE fordert die Landesregierung auf, ein integriertes Hafenkonzept in den Landesentwicklungsplan aufzunehmen und für alle Hafenstandorte, die in Frage stehen, ein abgestimmtes, zukunftsfähiges Konzept vorzulegen.

(Beifall bei der LINKEN)

DIE LINKE will Schleswig-Holstein auch im Bereich der Windkraft zukunftsfähig machen. Dafür ist die Festlegung von 1,5 % der Landesfläche als Windeignungsflächen nicht geeignet. Schon heute gibt es Anmeldungen für eine deutlich größere Fläche. DIE LINKE will das Wachstum in diesem Bereich in Schleswig-Holstein nicht ausbremsen und fordert, mindestens 2 % der Landesfläche als Windeignungsflächen auszuweisen. Der Landesentwicklungsplan bleibt ängstlich und zaghaft im Bereich Windkraft.

(Beifall bei der LINKEN)

DIE LINKE will in Schleswig-Holstein für alle Bürgerinnen und Bürger ortsnah Bürgerämter, die die wichtigsten Verwaltungsangelegenheiten regeln können. Es ist schlicht und ergreifend ein Märchen, dass Schleswig-Holstein zu viele öffentliche Angestellte hätte. Es ist vielmehr umgekehrt. Schleswig-Holstein hat im Vergleich zu anderen Bundesländern auf die Einwohner gerechnet am wenigsten öffentliche Angestellte.

(Christopher Vogt [FDP]: Bei Ihnen wären ja alle öffentliche Angestellte!)

Für DIE LINKE ist das nichts, womit man angeben sollte. Wenig öffentliche Beschäftigung heißt schlechter Service für die Bürgerinnen und Bürger. Wenig öffentliche Beschäftigung heißt lange Wartezeiten bei Antragsverfahren. Das müsste eigentlich auch die FDP interessieren. Wenig öffentliche Beschäftigung heißt arbeitnehmerunfreundliche Öffnungszeiten der Ämter. Wenig öffentliche Beschäftigung bedeutet lange Wege zur nächsten Verwaltungsstelle und dort, lange zu warten, bis man drangenommen wird. DIE LINKE will eine freundliche, bürgernahe, serviceorientierte Verwaltung in Schleswig-Holstein. Alles, was dies angreift, werden wir ablehnen.

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr

10. September 2010  Reden

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Die Landtagsfraktion DIE LINKE hat die immer wieder erhobene Forderung, die Bundeswehr zum Schutz deutscher Handelsinteressen einzusetzen, zum Anlass genommen, die Rechtmäßigkeit dieser Einsätze prüfen zu wollen. Wir sind tief besorgt darüber, dass im Grundgesetz festgeschriebene Grundsätze für den Einsatz von deutschem Militär missachtet werden könnten.

Zuletzt forderte der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Driftmann, dass die Bundesregierung von Piraterie bedrohte Seewege mittels Bundeswehreinsätzen schützen solle. Für Deutschland – Zitat – „wäre es eine Katastrophe, wenn die Handelswege, insbesondere nach Südostasien, dauerhaft eingeschränkt oder bedroht wären“, sagte Hans Heinrich Driftmann der Zeitschrift „Focus“. Er forderte offensiv die Verteidigung deutscher Wirtschaftsinteressen im Ausland.

Schon jetzt sind im Ausland 6.466 Soldatinnen und Soldaten – Stand vom 18. August 2010 – in folgenden Einsätzen eingesetzt: seit 1999 im Kosovo, seit 2001 im Mittelmeer zum Schutz des Seeverkehrs, seit Januar 2002 in Afghanistan. Übrigens, das Operation-Enduring-Freedom-Mandat des Deutschen Bundestages umfasst außerdem die arabische Halbinsel, Mittelasien, Zentralasien und Nordost-Afrika sowie die angrenzenden Seegebiete. Die Beteiligung Deutschlands im Ausland besteht auch aus der Marinepräsenz am Horn von Afrika. Seit Dezember 2004 in Bosnien und Herzegowina, im Süden und Osten des Sudans. Seit Juni 2005 gibt es regelmäßige Kontingente zur Luftraumsicherung über dem Baltikum. Seit September 2006 vor der Küste des Libanon, seit Dezember 2008 in und vor Somalia.

Wir möchten, dass die Aufmerksamkeit der Politik sich auf die Frage richtet, welcher dieser Einsätze der von Ex-Bundespräsident Köhler formulierten Forderung nachkommt:

„Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen, negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen.“

Wir haben auch Befürchtungen, weil im Sicherheitspapier der CDU/CSU-Fraktion von 2008 Folgendes zu lesen ist:

„Die Herstellung von Energiesicherheit und Rohstoffversorgung kann auch den Einsatz militärischer Mittel notwendig machen, zum Beispiel zur Sicherung von anfälligen Seehandelswegen oder von Infrastruktur wie Häfen, Pipelines, Förderanlagen et cetera. Bereits heute wird die Bundeswehr eingesetzt, beispielsweise mit der Beteiligung an OEF am Horn von Afrika oder an Active Endeavour im Mittelmeer.“

Dieses Anliegen halten wir übrigens nicht nur für bedeutend, um einer schleichenden Militarisierung vorzubeugen, sondern auch, weil die Steuerzahler es sind, die die Kosten tragen. Allein für den Einsatz in Afghanistan wurden bisher 25 Milliarden € ausgegeben. Hier im Land wird den Menschen die soziale Grundlage entzogen, und für internationale Konzerne werden Milliarden für die weltweite Verteidigung ihrer Interessen ausgegeben. Kriegspolitik ist Umverteilung von unten nach oben!

(Beifall bei der LINKEN)

Mit einem Bruchteil des Geldes wäre es möglich gewesen, durch Entwicklungshilfe Millionen von Menschen überall auf der Welt zu helfen. Es gibt Gründe, warum sogenannte Piraten sich nicht anders zu helfen wissen, als Schiffe aus dem reichen Westen zu kapern.

(Unruhe und Zurufe)

Übrigens unter anderem auch, weil die Fischfangflotten der EU den Fischerinnen und Fischern dort die Lebensgrundlage entzogen haben.

(Anhaltende Unruhe – Zurufe: Unsinn! Quatsch!)

DIE LINKE ist gegen Krieg als Mittel der Politik. DIE LINKE lehnt jeden Auslandseinsatz der Bundeswehr ab.

(Beifall bei der LINKEN)

DIE LINKE tritt für eine Stärkung der zivilen Konfliktlösung ein. DIE LINKE wird das im Grundgesetz verankerte Verbot der Vorbereitung von Angriffskriegen mit allen Mitteln verteidigen.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu unangemessenen Konsequenzen aus dem Lehrerstreik

10. September 2010  Dreiminutenbeiträge, Reden

Erst einmal möchte ich meinen Beitrag damit beginnen,

(Gerrit Koch [FDP]: Mit der Anrede!)

dass die Lehrerinnen und Lehrer nicht nur für sich gestreikt haben. Sie haben auch für die Schülerinnen und Schüler gestreikt. Ich sage das, weil das hier noch keiner erwähnt hat. Sie haben sich auch für die Rechte von Schülerinnen und Schülern eingesetzt.

(Beifall bei der LINKEN und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben uns ein bisschen umgeguckt, und wir haben etwas gefunden. Das möchte ich jetzt kurz vortragen.

(Lachen bei der FDP)

Zu der Vorstellung von Personalpolitik in der Schule gibt es ein schönes Blatt aus den 80er-Jahren von dem ehemaligen Landtagsabgeordneten Dr. Bendixen. Ich zitiere:

„Die politischen Verhältnisse im Lande müssen sich in der Personalpolitik widerspiegeln. Der linke Marsch in die Institutionen macht Lehrer- und Rektorenstellen hochpolitisch. In der Beförderungspraxis muss sichtbar, und zwar geräuschlos, werden, dass unsere Regierung CDU-Freunde am ehesten für geeignet hält, CDU-Politik an Ort und Stelle zu vertreten.“

Dieses Mantra scheint auch heute noch in den Regierungsfraktionen vorherrschend zu sein. Wer sich seinem Dienstherrn nicht unterwirft, der wird abgestraft. Es wurde ganz bewusst mit Repressionsmitteln schikaniert, um unliebsame Lehrerinnen und Lehrer von gewissen Posten fernzuhalten.

(Beifall bei der LINKEN)

Zur Sonntagsöffnungen im Einzelhandel („Bäder-Regelung“)

09. September 2010  Reden

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Es ist gut, dass das Grundgesetz dem Sonntag einen besonderen Stellenwert einräumt. Das Urteil aus dem April über die Bäderverordnung von Mecklenburg-Vorpommern war insofern nur konsequent.

(Beifall bei der LINKEN)

In Schleswig-Holstein hat die Landesregierung Kläger bisher hinhalten können. Ich hoffe, Kirchen und Gewerkschaften werden sich bald auch in Schleswig-Holstein für den Klageweg entscheiden. Auf anderem Wege hege ich keine Hoffnung, dass sich in Schleswig-Holstein etwas Grundlegendes an der Bäderverordnung ändert. Wie man zum Sonntagsschutz und zu Ladenöffnungszeiten im Allgemeinen steht, ist vor allem eine Frage von Werten. Eine pure Wirtschaftsideologie á la FDP will möglichst gar keine Beschränkungen. Im Wirtschaftswunderland der FDP haben Läden an sieben Tage in der Woche 24 Stunden lang geöffnet. Der Tante-Emma-Laden hat vor der Übermacht der Großkonzerne kapituliert, alle folgen stumpfsinnig einem künstlich geschürten Konsumterror.

(Christopher Vogt [FDP]: Hören Sie doch zu!)

In den Läden stehen sonntags und nachts müde und ausgelaugte Verkäufer; es sind übrigens vor allem Verkäuferinnen. Während Kinder und Freunde allein zu Hause sitzen, werden sie für einen Hungerlohn ausgebeutet.

(Zurufe)

Als einer der wenigen geht fröhlich pfeifend nur noch ein einsamer Besserverdiener nachts oder sonntags einkaufen. So ungefähr stellt sich die FDP ihr Wirtschaftswunderland vor.

(Glocke des Präsidenten – Christopher Vogt [FDP]: Das ist ja interessant, dass Sie das wissen! Herr Kumbartzky hat etwas anderes erzählt!)

Wir haben eine andere Vorstellung von einer guten Welt. DIE LINKE steht in der Frage der Sonntagsöffnungszeiten an der Seite der Gewerkschaften und an der Seite der Kirchen.

(Beifall bei der LINKEN)

DIE LINKE steht auf der Seite der Verkäuferinnen und Verkäufer im Einzelhandel. Auch die Begründung des Tourismus zieht nicht unbedingt. Wer sich zum Beispiel sonntags vor den Sky-Markt in Schilksee stellt, der wird sehen, dass auf dem Parkplatz größtenteils Autos mit Kieler Kennzeichen stehen.

(Christopher Vogt [FDP]: Was machen Sie denn da?)

Sonntagsöffnungszeiten gehen auf Kosten kleiner Läden, die es sich nicht leisten können, an sieben Tagen in der Woche Personal zu bezahlen. Sonntagsöffnungszeiten im Einzelhandel sind Gift für ein geregeltes Familienleben. Sonntagsöffnungszeiten im Einzelhandel sind Gift für freundschaftliche Bande. Wer hinter der Kasse sitzt, während andere frei haben, der kann leicht ausgegrenzt werden. Konsumtempel drohen zudem, die Funktion von Freizeitparks einzunehmen, zu denen man sonntags einen Ausflug macht. Statt einer Fahrt ins Grüne zum Beispiel gibt es die Fahrt in den „Markt der Lebensfreude“, wie sich der City Park in Kiel heute nennt.

Präsident Torsten Geerdts:
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Christopher Vogt?

Bitte.

Christopher Vogt [FDP]: Herr Kollege Thoroe, da Sie uns gerade das angebliche Programm der FDP vorstellen, möchte ich Sie bitten, die Frage zu beantworten, woher Sie diese Information denn haben. Des Weiteren bitte ich Sie, uns den Link zu schicken, über den das Papier abrufbar ist, in dem die FDP diese Forderung stellt, wie Sie sie eben vorgetragen haben. (Dr. Heiner Garg [FDP]: Er soll das vorlesen! Er soll daraus zitieren!) Woher haben Sie das? Das würde mich interessieren.

– Das ist mein Eindruck von dem, was FDP-Politikerinnen und FDP-Politiker auf Bundes- sowie auf Landesebene äußern.

(Beifall des Abgeordneten Ulrich Schippels [DIE LINKE] – Zuruf: Unerhört! – Zuruf: Das ist ein schöner Koalitionspartner!)

Präsident Torsten Geerdts:
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Wort hat Herr Abgeordneter Thoroe.

Wenn die CDU auch nur ein kleines bisschen Anstand und ein Minimum von Werten besitzt, dann sollte sie sich mit Kirchen, Gewerkschaften und mit uns dafür einsetzen,

(Lachen bei der CDU)

dass Ladenöffnungszeiten wieder deutlich reguliert werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein Tag in der Woche mit weniger Konsumterror und der Möglichkeit, innezuhalten, das ist eine kulturelle Errungenschaft, die wiederhergestellt werden sollte.

(Beifall des Abgeordneten Ulrich Schippels [DIE LINKE])

Der Gesetzentwurf der Grünen geht uns nicht weit genug. Er ist in seiner Halbherzigkeit eine typisch grüne Angelegenheit.

DIE LINKE wird in der Ausschussberatung beantragen, dass die Bäderregelung aus dem Ladenöffnungszeitengesetz gestrichen wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Zur Änderung des Hochschulgesetzes

09. September 2010  Reden

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Ich wundere mich so ein bisschen über das einmütige Lob, das hier die ganze Zeit durch den Raum schwebt. Ich werde dazu einen kleinen Kontrapunkt setzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr de Jager hat uns einen Gesetzentwurf vorgelegt, der mindestens drei Knaller beinhaltet: Erstens eine Anwesenheitspflicht für Professorinnen und Professoren an mindestens drei Tagen in der Woche während der Vorlesungszeit – ich erkläre gleich noch, warum -; zweitens die gesetzliche Grundlage dafür, Studierende, die die Regelstudienzeit um mehr als 50 % überschreiten, von der Hochschule zu schmeißen; und drittens hat uns Herr de Jager einen Gesetzentwurf vorgelegt, der ausdrücklich nicht vorsieht, dass allen Bachelor-Absolventinnen und -Absolventen Zugang zu einem Master-Studienplatz gewährt wird. Vielmehr soll der Schwarze Peter in dieser Frage still und heimlich den Hochschulen zugeschoben werden.

Die Einführung einer Anwesenheitspflicht für Professorinnen und Professoren zeugt von einem tiefen Misstrauen des Ministers gegenüber den Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern. Minister de Jager und anscheinend auch viele hier zeichnen ein Bild des faulen Professors,

(Zuruf von der SPD: Bittere Erfahrungen!)

der im Elfenbeinturm sitzt und sich vor den Studierenden versteckt.

(Zuruf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wenn er da sitzt, ist er ja anwesend!)

Das entspricht nicht der Realität. Wie sollen wir uns eigentlich die Umsetzung vorstellen? Gibt es zukünftig vor jedem Dienstzimmer eine Stechuhr?

(Zuruf: Eine gute Idee!)

Wollen Sie allen Lehrenden eine Fußfessel anlegen? Mit den gleichen Argumenten könnten Sie übrigens auch eine Anwesenheitspflicht für Abgeordnete beschließen, mit dem Argument: Da alle hier zu faul sind, werden wir zukünftig eine Anwesenheitspflicht für Abgeordnete außerhalb der sitzungsfreien Zeit einführen.

(Thorsten Fürter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben wir doch! – Zurufe von der CDU: Haben wir doch! – Weitere Zurufe)

Ich will nicht wissen, was das für einen Aufschrei geben würde, wenn außerhalb der sitzungsfreien Zeit alle verpflichtet wären, mindestens drei Tage pro Woche im Landtag anwesend zu sein.

(Zurufe)

DIE LINKE hält nichts von Überbürokratisierung und ist davon überzeugt, dass die Lehrenden an den Hochschulen gute Arbeit leisten.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Unglaublich!)

Die Möglichkeit, Studenten nach Überschreitung der Regelstudienzeit um mehr als 50 % von der Hochschule zu schmeißen, geht in eine ähnliche Richtung. Wer nach Meinung des Ministers keine Leistung bringt, soll zusehen, wo er oder sie bleibt.

Bachelor-Studiengänge haben heute eine Regelstudienzeit von sechs Semestern. Ab dem zehnten Semester wäre es nun theoretisch möglich, Studierende von der Hochschule zu schmeißen.

Vizepräsidentin Marlies Fritzen:
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kubicki?

Bitte.

Wolfgang Kubicki [FDP]: Herr Kollege Thoroe, ich weiß zwar nicht, was Sie die Woche über machen, aber würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, dass jedenfalls die deutliche Mehrheit der Abgeordneten des Hauses außerhalb der sitzungsfreien Zeit – ich bin mindestens drei Tage pro Woche hier – auch mindestens drei Tage in der Woche hier ist. Wenn Sie nicht anwesend sind, können Sie das natürlich nicht feststellen.

(Ulrich Schippels [DIE LINKE]: Gucken Sie sich einmal die Parkplätze an! – Gerrit Koch [FDP]: Die sitzen nicht in der Tiefgarage! – Wolfgang Kubicki [FDP]: Mein Auto steht vor der Tür! – Heiterkeit)

– Herr Kubicki, Sie haben meine Rede nicht richtig verstanden. Ich bin fünf Tage pro Woche hier. Ich will aber auch nicht, dass es jemand kontrolliert. Ich glaube auch, dass die Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer fünf Tage pro Woche an der Uni sind.

Es gibt einen gewissen Teil der Gesellschaft, der sagt, Abgeordnete seien faul und deshalb müsste man sie verpflichten, irgendetwas zu machen. Was Sie jetzt mit den Hochschullehrerinnen und den Hochschullehrern machen, ist genau die gleiche Argumentation.

Vizepräsidentin Marlies Fritzen:
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Andresen?

Ja.

Rasmus Andresen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich habe das Thema nicht ganz verstanden. Wir reden nicht über die Situation im Landtag, sondern über das Hochschulgesetz. Ich frage Sie, ob Ihnen bewusst ist, dass es beispielsweise in Dänemark ein Anwesenheitenmodell gibt. Wenn Sie dieses Thema ausführlich beraten haben – Sie haben dazu ja auch schon Presse gemacht, frage ich Sie: Haben Sie sich schon einmal damit auseinandergesetzt, und haben Sie sich angeguckt, ob es in Dänemark zu Problemen oder eher zu Zustimmung vor Ort geführt hat?

– Das kann ich mir gern noch einmal angucken.

(Heike Franzen [CDU]: Das kann nicht viel gewesen sein! – Heiterkeit bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

– Ich halte es trotzdem für Überbürokratisierung, so, wie ich mich im Moment damit beschäftigt habe. – Aber ich war schon bei der Regelstudienzeit. Ich war ja schon ein Stück weiter.

Bachelor-Studiengänge haben heute eine Regelstudienzeit von sechs Semestern. Ab dem zehnten Semester wäre es nun theoretisch möglich, Studierende von der Hochschule zu schmeißen. Ich frage mich dann auch, wie lange Herr de Jager studiert hat. Ich habe einmal nachgeguckt, ganze sieben Jahre.

(Beifall des Abgeordneten Ulrich Schippels [DIE LINKE])

Herr de Jager, könnte es sein, dass Sie länger studiert haben, weil Sie sich nebenbei politisch engagiert haben?

(Minister Jost de Jager: Ich habe Geld verdient!)

Sie persönlich hindern Studierende daran, sich ehrenamtlich zu betätigen. Auch Studierende ohne reiche Eltern werden Probleme bekommen. Wer neben seinem Studium Geld verdienen muss und deshalb länger studiert, ist ständig der Gefahr ausgesetzt, von der Uni zu fliegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Landesregierung unterstützt die Abschottung von Eliten gegenüber der großen Mehrheit der Bevölkerung.

(Zurufe von der CDU: Oh, oh!)

DIE LINKE setzt sich dafür ein, dass alle Studierenden bis zu ihrem Abschluss zu Ende studieren dürfen.

(Johannes Callsen [CDU]: Lebenslanges Studium!)

Indem die Landesregierung nicht allen Bachelor-Absolventinnen und -Absolventen einen Master-Studienplatz zubilligt, fördert die Landesregierung ebenfalls nur eine Elite. Herr de Jager gibt sich generös und schreibt in seinen Gesetzentwurf, Hochschulen könnten die Zugangsbestimmungen zum Master-Studiengang selber regeln. Das ist leider Heuchelei. Die Landesregierung will lediglich den Schwarzen Peter weitergeben. Die Landesregierung ist nämlich nicht bereit, Studienplätze auszufinanzieren, und die Hochschulen sollen das ausbaden. Das Problem ist nämlich das fehlende Geld. Das machen wir nicht mit.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Grundproblem liegt an anderer Stelle. Der Bologna-Prozess ist gescheitert. Die Idee, kurze Bachelor-Studiengänge für die breite Masse anzubieten und danach den Zugang zum Master zu beschränken, war von Anfang an eine Schnapsidee. Wir haben das auch schon immer so gesehen. DIE LINKE will wieder zu grundständigen Studiengängen zurück.

Außerdem wollen wir den Zugang zum Studium weiter ausweiten, als es der Entwurf vorsieht. Langfristig tritt DIE LINKE in Schleswig-Holstein dafür ein, niemandem den Zugang zu einer Hochschule zu verweigern. Alle Menschen, die es wollen und es sich zutrauen, sollten studieren dürfen.

DIE LINKE will in Schleswig-Holstein eine grundlegend andere Bildungspolitik. DIE LINKE betrachtet Bildung als den Bestandteil der persönlichen Entwicklung jedes Einzelnen und nicht aus dem Blickwinkel neoliberaler Ideologie wie die Landesregierung.

(Beifall bei der LINKEN)

Den vorliegenden Gesetzesentwurf lehnen wir ab.

(Beifall bei der LINKEN – Heike Franzen [CDU]: Peinlich, peinlich, peinlich!)

Zu den Protesten gegen Uni-Schließungen

09. Juli 2010  Dreiminutenbeiträge, Reden

Ich erwähne Sie, Herr Kubicki! – Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Mit Blick auf die Tribüne und auch ins Land möchte ich auch noch einmal betonen, was die Quintessenz des heutigen Tages ist. Die Quintessenz ist: Protest lohnt sich! Sogar Herr Kubicki hat das vorhin gesagt und sich für den Rückenwind aus Lübeck bedankt. Ich möchte hinzufügen: Gemeinsamer Protest lohnt sich!

An der Basis, nämlich bei den Studierenden und bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des UKSH, sieht es anders aus als bei den Professoren Dominiak und Fouquet. Dort herrscht kein Hahnenkampf, sondern da ist in den letzten Wochen etwas in Bewegung geraten. Sie glauben ja wohl auch nicht, dass die 14.000 Leute, die hier vor dem Landeshaus standen, nur aus Lübeck gekommen sind. Das waren auch Leute aus Flensburg, das waren Leute vom UKSH, und das waren Leute aus Kiel. Sie haben zusammen gegen das Aus für die Uni Lübeck gekämpft, gegen die Privatisierung des UKSH und gegen die Schließung der Wirtschaftswissenschaften in Flensburg. Wenn Sie jetzt denken, dass damit, dass Sie die Medizin in Lübeck weiter bestehen lassen, der Protest zu Ende ist, dann glauben Sie das ja wohl selbst nicht. Auch die Studierenden in Lübeck werden sich an die Solidarität erinnern, die ihnen von den anderen Studierenden zuteil wurde. Diese Studierenden werden sich solidarisch zeigen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des UKSH und auch mit den Studierenden in Flensburg.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich bin der Meinung, Frau Herold und Herr Kalinka haben für ihre richtige Einstellung und ihre richtige Meinung den gleichen Rückenwind verdient, wie ihn vorher Herr Koch hatte.

Der Kahlschlag im Sozialbereich und die Schließung der Wirtschaftswissenschaften in Flensburg sind genauso falsch. Ich bin fest davon überzeugt, dass Sie diese beiden Sachen werden zurücknehmen müssen.

(Beifall bei der LINKEN)